Mittwoch, 14. Dezember 2011

Auslegung einer Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede

Das Bundesarbeitsgericht hat heute über die Frage der zeitlichen Begrenzung des Vertrauensschutzes für „Altverträge“ bei der Auslegung einer Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede zu entscheiden.

Es geht um ein gängiges Problem im Arbeitsrecht.

Ein Tarifvertrag findet Anwendung, wenn die Parteien eines Arbeitsvertrages Mitglieder in den den Tarifvertrag schließenden Organisationen sind. Auf manche Arbeitsverhältnisse finden Tarifverträge aber auch Anwendung aufgrund von Abreden, die im Arbeitsvertrag vereinbart worden sind. Diese Klauseln heißen Verweisungsklausel. Es haben sich hier verschiedene Typen von Verweisungsklauseln herausgebildet. Die Klauseln unterschieden sich danach, ob sie sich auf einen bestimmten Tarifvertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt beziehen ("statische Verweisungsklausel") oder ob sie auch zukünftige Veränderungen des Tarifvertrages erfassen ("dynamische Verweisungsklausel"); also etwa, dass der Arbeitnehmer auch einen Anspruch darauf hat zukünftige Tariferhöhungen gezahlt zu bekommen. Eine dynamische Klausel, die den Arbeitnehmer so stellen soll als wäre er tarifgebunden, nennt man "Gleichstellungsabrede". Die Bestimmung des Inhalts bzw. der Art der Verweisungsklauseln bereitet oftmals Schwierigkeiten.

Eine vor dem 1. Januar 2002 arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag („Altvertrag“) ist gewöhnlich dann als Gleichstellungsabrede auszulegen, wenn sie auf den einschlägigen Tarifvertrag verweist, an den der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt selbst gebunden ist. Endet seine Tarifgebundenheit zu einem späteren Zeitpunkt, entfällt die Dynamik der Verweisung. Der Tarifvertrag bleibt dann statisch in der zur Zeit des Wegfalls der Tarifgebundenheit geltenden Fassung Inhalt des Arbeitsvertrages. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben. Es gewährt hinsichtlich sog. „Altverträge“ jedoch Vertrauensschutz, zu dessen zeitlicher Begrenzung kein Anlass besteht.

Der Fall:

Die Parteien hatten im Jahr 1992 einen formularmäßigen Arbeitsvertrag unterzeichnet, in dem die Vergütung nach einer bestimmten Tarifgruppe des damals geltenden Tarifvertrages für den Einzelhandel Brandenburg vereinbart worden war. Im übrigen sollte sich das Arbeitsverhältnis „nach den jeweils geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte“ richten. Die Arbeitgeberin trat 1997 aus dem Arbeitgeberverband aus. Im März 2008 begehrte die Arbeitnehmerin von der Arbeitgeberin die Zahlung entsprechend des aktuellen Tarifvertrages des Einzelhandels Brandenburg. Die Arbeitgeberin verweigerte dies, weil aus ihrer Sicht in der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel eine Gleichstellungsabrede zu sehen sei. Die Arbeitnehmerin macht mit ihrer Klage Vergütungsdifferenzen zwischen dem aktuellen Tarifentgelt und der an sie tatsächlich gezahlten Vergütung geltend. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sie abgewiesen.

Die Entscheidung:

Die Revision der Arbeitnehmerin blieb vor dem Bundesarbeitsgericht nunmehr erfolglos.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 3. November 2009 - 16 Sa 1228/09 und 1365/09 -


mitgeteilt von Rechtsanwalt
und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Martin Bechert

Berlin

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