Donnerstag, 10. April 2014

Bundesarbeitsgericht : Leidensgerechter Arbeitsplatz für alle Arbeitnehmer

Das Problem:
Im Laufe eines langen Arbeitslebens nimmt die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers ab. Manchmal erwischt einen Arbeitnehmer auch eine Krankheit. Das ist ganz normal. Aber was, wenn dadurch
auf absehbare Zeit die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen teilweise  nicht mehr erfüllt werden können? Ist das ein Fall der Unmöglichkeit? Darf der Arbeitgeber eine personebedingte Kündigung aussprechen?  Oder ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet den Arbeitnehmer im Rahmen der beidseitigen Möglichkeiten weiterzubeschäftigen?
Der Fall: 
Die Arbeitnehmerin arbeitet seit 1983 in einem großen Krankenhaus als Krankenschwester im Schichtdienst. Arbeitsvertraglich ist sie im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Nach einer Betriebsvereinbarung ist eine gleichmäßige Planung ua. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten anzustreben. Das Pflegepersonal im Krankehaus arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. Die Arbeitnehmerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten. Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedirektor die Klägerin am 12.06.2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. Die Klägerin bot dem Krankehaus ihre Arbeitsleistung - mit Ausnahme von Nachtdiensten - ausdrücklich an. Bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts im November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld. Die Arbeitnehmerin erhob Klage auf Beschäftigung und Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung.

Die Entscheidung: 
Die Klage war beim Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts, ebenso wie in den Vorinstanzen, erfolgreich. Die Arbeitnehmerin ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Das Krankenhaus muss bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Arbeitnehmerin Rücksicht nehmen. Die Vergütung steht der Arbeitnehmerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß angeboten hat und das Krankenhaus erklärt hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen. 

Das Fazit: 
Kann ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Er hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden. Ob der sich daraus ergebende Grundsatz auch auf andere Bereiche als die Nachschicht angewendet werden kann, bliebt abzuwarten.


Vorinstanz: 
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.05.2013 - 5 Sa 78/13 -

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen