Das Problem:
Immer wieder kommt zu Abgrenzungsfragen im Hinblick auf verschiedene Regleungen zur Auswahl von zu kündigenden Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl. Der Betriebsrat kann mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung treffen, die die Wertigkeit der verschiedenen sozialen Belange der Arbeitnehmer, beispielsweise Alter, Schwerbehinderung etc.) zueinander näher regelt und damit die Sozailauswahl konkretisieren. Daneben können die Betriebsparteien auch im Rahmen eines Interessenausgleichs eine Namensliste fertigen. Also die zu kündigenden Arbietnehmer namentlich festlegen. Es bestand bislang die Frage, ob ein Betriebsrat - entgegen einer geltenden Auswahlrichtlinie - eine hiervon abweichede Namensliste für den Einzelfall mit dem Arbeitgeber vereinbaren kann.
Der Fall:
Der 1970
geborene, unverheiratete Arbeitnehmer war seit 1998 als Werkzeugmacher bei einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie beschäftigt. Im Dezember 2009 wurde über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter
bestellt. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat schlossen am 10.02.2010
einen Interessenausgleich, der eine Auswahlrichtlinie und eine
Namensliste enthielt. Der Arbeitnehmer wies nach dem Punkteschema der
Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr als ein Kollege des Arbeitnehmers auf. Der Kollege war der Vergleichs- und Altersgruppe des Arbeitnehmers zugeordnet. Die
Namensliste nannte dennoch den Namen des Arbeitnehmers. Von den sieben
Arbeitsverhältnissen der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers wurde
nur das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit Schreiben vom 12.02.2010 ordentlich
zum 31.05.2010 gekündigt. Mit der Klage wendet sich der Arbeitnehmer gegen
die Kündigung. Er meinte, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil
der Insolvenzverwalter sein Arbeitsverhältnis und nicht das seines Kollegen
gekündigt habe. Die Auswahlrichtlinie räume dem Arbeitgeber keinen
Beurteilungsspielraum ein.
Die Vorinstanzen haben seiner Klage stattgegeben. Sie haben angenommen, die Kündigung verstoße gegen die Auswahlrichtlinie. Die Sozialauswahl sei deshalb grob fehlerhaft.
Die Entscheidung:
Die Revision des Insolvenzverwalters vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg.
Die Bundesrichter waren der Meiungung, dass mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung der Klage
nicht stattgegeben werden konnte. Die Betriebsparteien wichen nämlich in der
Namensliste übereinstimmend und wirksam von der Auswahlrichtlinie ab. Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das
Landesarbeitsgericht verwiesen. Auf der Grundlage des bisher
festgestellten Sachverhalts steht noch nicht fest, ob die Kündigung
wirksam ist.
Das Fazit:
Arbeitgeber und
Betriebsrat können Auswahlrichtlinien im Sinn von § 1 Abs. 4 KSchG
später oder zeitgleich - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs
mit Namensliste - ändern. Setzen sich die Betriebsparteien in einem
bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die
Namensliste.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 04.05.2011 - 2 Sa 1975/10 -
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