Donnerstag, 24. Oktober 2013

Betriebsrat: Änderung von Auswahlrichtlinie durch Namensliste möglich

Das Problem:
Immer wieder kommt zu Abgrenzungsfragen im Hinblick auf verschiedene Regleungen zur Auswahl von zu kündigenden Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl. Der Betriebsrat kann mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung treffen, die die Wertigkeit der verschiedenen sozialen Belange der Arbeitnehmer, beispielsweise Alter, Schwerbehinderung etc.) zueinander näher regelt und damit die Sozailauswahl konkretisieren. Daneben können die Betriebsparteien auch im Rahmen eines Interessenausgleichs eine Namensliste fertigen. Also die zu kündigenden Arbietnehmer namentlich festlegen. Es bestand bislang die Frage, ob ein Betriebsrat - entgegen einer geltenden Auswahlrichtlinie - eine hiervon abweichede Namensliste für den Einzelfall mit dem Arbeitgeber vereinbaren kann.

Der Fall:
Der 1970 geborene, unverheiratete Arbeitnehmer war seit 1998 als Werkzeugmacher bei einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie beschäftigt. Im Dezember 2009 wurde über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat schlossen am 10.02.2010 einen Interessenausgleich, der eine Auswahlrichtlinie und eine Namensliste enthielt. Der Arbeitnehmer wies nach dem Punkteschema der Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr als ein Kollege des Arbeitnehmers auf. Der Kollege war der Vergleichs- und Altersgruppe des Arbeitnehmers zugeordnet. Die Namensliste nannte dennoch den Namen des Arbeitnehmers. Von den sieben Arbeitsverhältnissen der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers wurde nur das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit Schreiben vom 12.02.2010 ordentlich zum 31.05.2010 gekündigt. Mit der Klage wendet sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung. Er meinte, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Insolvenzverwalter sein Arbeitsverhältnis und nicht das seines Kollegen gekündigt habe. Die Auswahlrichtlinie räume dem Arbeitgeber keinen Beurteilungsspielraum ein. Die Vorinstanzen haben seiner Klage stattgegeben. Sie haben angenommen, die Kündigung verstoße gegen die Auswahlrichtlinie. Die Sozialauswahl sei deshalb grob fehlerhaft.

Die Entscheidung:
Die Revision des Insolvenzverwalters vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Die Bundesrichter waren der Meiungung, dass mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung der Klage nicht stattgegeben werden konnte. Die Betriebsparteien wichen nämlich in der Namensliste übereinstimmend und wirksam von der Auswahlrichtlinie ab. Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts steht noch nicht fest, ob die Kündigung wirksam ist.

Das Fazit: 
Arbeitgeber und Betriebsrat können Auswahlrichtlinien im Sinn von § 1 Abs. 4 KSchG später oder zeitgleich - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste - ändern. Setzen sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die Namensliste.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 04.05.2011 - 2 Sa 1975/10 -

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