Mittwoch, 8. August 2012

Urlaubsanspruch bei Bezug von Erwerbsminderungsrente

Seitdem der EuGH die Sichtweise imdeutschen Arbeitsrecht im Hinblick auf den Erholungsurlaub korrigiert hat, ist vieles fraglich, was einst doch ganz festzustehen schien. Es ergeben sich auch weiterhin viele Fragen zum Urlaubsrecht im Hinblick auf die europarechtlichen Vorgaben. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem jetzt entschiedenen Fall mit der Frage zu befassen, ob wähend der Zeit der Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ein Anspruch auf Erholungsurlaub überhaupt entsteht.

Jeder Arbeitnehmer hat nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn er im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig krank war. Dies gilt nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts auch, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch steht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Der EuGH hat in der KHS-Entscheidung vom 22. November 2011 seine Rechtsprechung bezüglich des zeitlich unbegrenzten Ansammelns von Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer geändert und den Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht beanstandet.

Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 1. Juli 2001 bis zum 31. März 2009 in der Rehabilitationsklinik der Beklagten gegen eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von zuletzt 2.737,64 Euro als Angestellte beschäftigt. Im Jahr 2004 erkrankte sie, bezog ab dem 20. Dezember 2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und nahm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit für die Beklagte nicht mehr auf. Nach dem TVöD, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand, ruht das Arbeitsverhältnis während des Bezugs einer Rente auf Zeit und vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel. Die Klägerin hatte die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 mit 18.841,05 Euro brutto beansprucht. Die Vorinstanzen haben der Klage bezüglich der Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs schwerbehinderter Menschen stattgegeben, die Beklagte zur Zahlung von 13.403,70 Euro brutto verurteilt und die Klage hinsichtlich der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abgewiesen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts größtenteils Erfolg. Die Klägerin hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nur Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und Zusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3.919,95 Euro brutto. In den Jahren 2005 bis 2007 sind die nicht abdingbaren gesetzlichen Urlaubsansprüche trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zwar entstanden. Ihrer Abgeltung steht jedoch entgegen, dass sie vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen sind.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 -
Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2010 - 11 Sa 64/09 -

2 Kommentare:

  1. Was passiert wohl mit den Urlaubsansprüchen eines Arbeitnehmers in der Passivphase und im Jahr des Übergangs auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes sowie nach dem TV ATZ (TVöD). Vereinbarkeit von §7 TV ATZ mit EU-Recht?

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    § 7 Urlaub
    Für den Arbeitnehmer, der im Rahmen der Altersteilzeit im Blockmodell (§ 3 Abs. 2 Buchstabe a) beschäftigt wird, besteht kein Urlaubsanspruch für die Zeit der Freistellung von der Arbeit. Im Kalenderjahr des Übergangs von der Beschäftigung zur Freistellung hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Beschäftigungsmonat Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs.

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  2. Wann muss/kann man seine Ansprüche auf Vergütung des Urlaubs stellen?

    Beispiel:
    Ich beziehe seit Oktober 2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, befristet bis September 2014.
    Muss ich meine Ansprüche schon jetzt geltend machen oder erst dann, wenn die Befristung der Rente endet, entweder durch Wandlung in eine unbefristete Rente (ab Oktober 2014) oder weil ich ab Oktober 2014 wieder arbeiten muss/kann.

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