Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass im Einzelfall während eines Arbeitskampfes auch zugespitzte Äußerungen zulässig sein können. Die Verfügungsklägerin, ein Unternehmen der Ernährungsindustrie (im Folgenden Arbeitgeberin), wird von der GewerkschaftNahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bestreikt.
Am 13.07.2009 schloss sie mit der
NGG einen Tarifvertrag zur Zukunftssicherung, der Einbußen der Arbeitnehmer u.a. betreffend Urlaubsgeld, Urlaubstage, Jahreszuwendung und Entgelterhöhung vorsah. Gemäß § 3 des Tarifvertrags sollten ab dem 01.01.2012 die Entgelte des Flächentarifvertrags gelten. Während der Laufzeit des Tarifvertrags wechselte die Arbeitgeberin ihre Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung
(OT-Mitgliedschaft). Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung im Jahre 2012
skandierten die streikenden Arbeitnehmer Sprechchöre in Reimform, in denen es
u.a. hieß, dass die Arbeitgeberin sie „betrüge“ bzw. „bescheiße“. Hierbei waren
Gewerkschaftssekretäre der NGG anwesend und schritten nicht ein. Teile der
Parolen wurden von einem Gewerkschaftssekretär per Megafon gesprochen. Die
Arbeitgeberin verlangt von der NGG sowie ihren drei Vorstandsmitgliedern und
zwei Gewerkschaftssekretären Unterlassung der näher bezeichneten Äußerungen
bzw. die Einwirkung auf die Streikenden, solche Äußerungen zu unterlassen.
Die Anträge hatten wie bereits vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die beanstandeten Äußerungen aufgrund des Gesamtzusammenhangs nicht als Tatsachenbehauptungen im strafrechtlichen Sinne gewertet. Es handelte sich um
zugespitzte Äußerungen, mit denen die Arbeitnehmer zum Ausdruck brachten, dass
sie sich angesichts des Wechsels der Arbeitgeberin in eine OT-Mitgliedschaft
„betrogen“ gefühlt hätten. So verstanden waren die zugespitzen Äußerungen von
der Meinungsfreiheit, die im Arbeitskampf auch der Gewerkschaft zusteht, noch
gedeckt. Hinzu kam, dass derjenige Gewerkschaftssekretär, der an den Äußerungen
aktiv beteiligt war, sich inzwischen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit
befindet. Dass die weiteren Verfügungsbeklagten sich aktiv an den Äußerungen
beteiligt hatten, konnte die Arbeitgeberin nicht darlegen.
Gegen das Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 8 SaGa 14/12,Urteil vom 17.08.2012
Vorinstanz: Arbeitsgericht Düsseldorf, 3 Ga 44/12, Urteil vom 06.07.2012
Rechtsanwalt Martin Bechert,
Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Berlin
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